Mein Großvater mütterlicherseits, Richard Haldenwang, hat in der Württemberger Zeitung und der Süddeutschen Zeitung von 1915 bis 1922 viele Gedichte, humoristische Betrachtungen und Aphorismen publiziert. Eine kleine Auswahl stelle ich hier vor. Da er in Stuttgart lebte, hat er viele Gedichte in schwäbischem Dialekt geschrieben, die für Nichtschwaben allerdings nur mit Mühe verständlich sind.


Mein erster Erfolg

Er liegt schon lange hinter mir. Er fällt in die sogenannte Sturm- und Drangperiode der Jugendjahre zurück! In jene Zeit, in der ich den brennenden Wunsch nicht mehr los wurde, mich "gedruckt" zu sehen. Nicht in jenem prosaischen Teil, wo Müller-Schulze und Cie in Vergrößerung stehen, sondern an berufener Stelle - - unter dem Strich. Zum mindesten aber in den Spalten einer modernen Zeitschrift für Humor und Kunst. Ich entzog mich daher auf einige Zeit der gesamten Menschheit, schloß mich in mein Kämmerlein, machte gute und schlechte Witze, ersann mehr oder weniger geistvolle Aphorismen, schrieb Skizzen und Humoresken
schmiedete Verse. Kurzum, ich war sehr produktiv. Die Erzeugnisse meiner geistigen Werkstätte traten ihre Reise an ...

Aber - - sie kamen alle wieder.


Die Redaktionen waren anderer Ansicht. Immerhin mangelte ihnen, nach meinem Dafürhalten, das richtige Verständnis, meinem brennenden Wunsche Rechnung zu tragen. Aber - Redaktionen sind bekanntlich unergründlich, - wie Frauenherzen! Einige Zeit spielte ich, - allerdings ohne Erfolg, - den gekränkten Liebhaber. Und einige Zeit danach fiel mir auch wirklich nichts Geistvolles mehr ein.
In diesem Zustand geistiger Lethargie und Erkenntnis meiner Unfähigkeit verharrte ich eine zeitlang bis mich zwei Vergissmeinnichtaugen und ein Rosenmund das seelische Gleichgewicht wieder erlangen ließen. Ich verliebte mich dazu ausgerechnet im Frühling!

In diesem neuen exaltierten Zustande schwoll meine sogenannte Dichtader aufs Höchste und drängte ungestüm nach einem wohltätigen Aderlass. Ich schloß mich abermals in mein Kämmerlein, und unter dem Eindruck des Frühlings und der Liebe einerseits, und den Vergissmeinnichtaugen und dem Rosenmund andererseits, entstand folgender Schwanengesang:


Der Druck

Lebt wohl ihr stolzen Redaktionen,
die ihr ganz ungeniert
die schönsten Lieder und Gedichte
von mir nicht akzeptiert!
Ich hab´ nun eine Quelle,
die mir nichts retourniert,
und alle meine Verse
mir sorglich honoriert.
Mein Schatz, dem ich sie schicke,
die heitern wie die ernsten,
als Honorar mir Küsse gibt,
den Druck hab´ ich am gernsten!


Und - - siehe da, - ich hatte Erfolg!
Nicht nur, dass ich mich "gedruckt" sah, - auch das Honorar ist nicht ausgeblieben! –
Und von da ab reihte sich Erfolg an Erfolg! –
Was doch Vergissmeinnichtaugen – und ein Rosenmund zur Frühlingszeit nicht alles fertig bringen!




Aphorismen

Viele erreichen nur deshalb ihr Ziel nicht, weil sie mit ihren Plänen schon darüber hinaus sind.
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Mancher, der mit seiner Vergangenheit bricht, bricht oft auch mit seiner Zukunft.
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Mancher hat schon dadurch, dass er kurzen Prozess macht, - einen langen erhalten.
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Oft ist im Leben eine Lösung für die Menschen ein Rätsel.
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Meist sind es die Kleinen, die andere von oben herab ansehen.
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Es gibt Menschen, die es für einen Tadel halten, wenn man ihnen nicht immer Lob spendet.
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Mancher hat schon dadurch, dass er sich auf die Rennbahn begeben – seine Laufbahn verscherzt.
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Selbst unter Musikern findet man oft recht taktlose Menschen.
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Auf der Jagd nach dem Glück bedienen sich viele auch eines Treibers – des Heiratsvermittlers.
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Es gibt viele, die sich nach ihrer Trauung nicht mehr trauen.
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Manchem hat seine "Flamme" schon den Lebensweg verdunkelt.
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So mancher Glückspilz hier auf Erden
gleicht einem Pilze auf das Haar,
und zwar dem giftigen, - denn dieser
ist wie so mancher Glückspilz – ungenießbar!
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Laß vom Glanze dich nicht blenden,
denn so mancher trägt zum Schein
oft an seinen schmutz´gen Händen
einen Edelstein!
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Drei schwäbische Gedichte


D' Schtroßabah
Recht schee ischt so a Schtroßabah,
des hoißt, bloß wenn mehr fahra ka.
En Schtuagert schtoht`s do zemlich mau,
do bleibt se gar oft schtanda au.

Do hert mer no, wia`s Publikom
schempft, an de Haltestella rom.
A mancher, freile, lacht au naus
ond secht: "Do sei d`r Dampf halt aus!"

Am gscheitschta ischt`s mer helt sei Maul,
isch net so donderschlächtich faul,
ond lauft, mer ischt am beschta dra,
glei hoim mit seim Abonnema!


D' Revluzio
Dr Heinerle vom Grabbehof
ischt mit sei`m Vatter z`Schtuagart gwea,
do hot des Büable ällerhand
gar viele schöne Sächle gsea.

Zom Schluß, do hat sei Vatter gsait:
"Was, Heinerle, willsch sea jetz no?"
Do sait des Büable voller Fraid:
"Jetz Vatter, bloß no d` Revluzio!"


D' Radikale
Driebe an dem kleine Reile,
an dem Bächle en der Au
bliehet jetz scho`a ganz Weile
en der Sonne, d´Veigala blau.

Ond weil's am Sonntig hot so gschneit,
drom fahret heit dia Donnder,
mit ihre Schlitte wie net gscheit,
grad über d´Veigala nonter.