Berufswahl
Interessenfindung und Information für Ausbildung,
Studium und Berufswechsel

aktualisierte Neuauflage, Econ-Verlag, 141 Seiten

Leseprobe/Nachbemerkung

Berufswahl
Econ-Verlag

Manche Leser meiner Bücher, besonders der Titel »Lebenskunst«, »Die Liebe« und »Wege zur Gelassenheit« meinten, dass man, um sich selbst zu verwirklichen (das eigene Selbst zu entfalten) keinem Beruf mit seinen Zwängen und Verpflichtungen mehr nachgehen könnte. Das ist eine Fehlinterpretation, denn es ist für jeden nun einmal erforderlich, den Lebensunterhalt zu verdienen, wobei man sich allerdings vom »Berufsleben« und der »Berufswelt« nicht völlig beherrschen lassen darf. Neben acht Stunden Beruf stehen uns schließlich acht Stunden private Freizeit zur Verfügung (neben den notwendigen acht Stunden Schlaf). Nicht jeder kann seinen »Traumberuf« realisieren, in dem seine persönliche Selbstbestimmung völlig in beruflicher Entfaltung – ohne »Fremdbestimmtheit« aufgeht. Das ist wohl nur dem Künstler möglich, sofern er sich völlig frei ausdrücken kann und natürlich auch das Glück hat, dafür auch einen freien Markt der Nachfrage zu finden, denn auch er unterliegt den Gesetzen des freien Marktes. Ohne Nachfrage hat er keine Chance, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Berufswahl sollte allerdings nicht nach reinen Markterwägungen vollzogen werden. Wer nur Mediziner wird, um dadurch viel Geld zu verdienen, wird meist ein schlechter Arzt sein und dann auch nicht viel verdienen, weil er seinen Beruf nicht mit seiner ganzen Person ausfüllt.

Von großer Bedeutung für die Berufswahl ist deshalb die innere Motivation, das geradezu leidenschaftliche Interesse an der beruflichen Tätigkeit. Dieses leidenschaftliche Interesse, aus der Tiefe der Seele heraus, bahnt sich meist auch den Erfolg. Das Herz sollte also beteiligt sein, deshalb ist die Erkundung der eigenen Interessen von so großer Bedeutung, denn es sollte in der beruflichen Tätigkeit ein persönliches Sinngefühl verwirklicht werden können.

Wer sich für Physik und die Erforschung der Naturgesetze interessiert, wäre sicherlich sehr unglücklich, wenn er in einer Boutique Kleider verkaufen sollte. Wer sich für Sprachen und Poesie interessiert, wäre wohl recht unglücklich, wenn er tagtäglich ein Einzelhandelsgeschäft zu führen hätte. Wer gerne Bilder malt und dabei seine Gefühle und Stimmungen zum Ausdruck bringt, würde als Grafiker einer Werbeagentur sicherlich auf Dauer sehr unzufrieden. Wer gerne Wissenschaftler in einem Labor wäre, sollte nicht unbedingt vor eine Schulklasse als Lehrer stehen. Wer aber die Tiere liebt, ihnen ganz konkret helfen will und dabei gerne mit Menschen umgeht, wird als Tierarzt in seinem Beruf zufrieden werden. Wer gerne mit Menschen zusammen ist, in einem Team Verantwortung übernimmt und gerne koordiniert und plant, konferiert und andere einweist, der wird in einer Führungsposition Sinn erfahren. Er wird dagegen in einer Tätigkeit, die Zurückgezogenheit und angepasste Pflichterfüllung erfordert, für sich wenig Sinn sehen können. Sich auf diesen »inneren Kompass« zu besinnen heißt: in sich selbst hineinhorchen und erkennen, was man mit Geist und Seele wirklich will.

In den acht Stunden privater Freizeit geht es um die Liebe zum Leben, um ein vollständiges Ausschöpfen der Gegenwart, wie ich in »Lebenskunst« beschrieben habe. Und im Beruf geht es um die Liebe zu einer Tätigkeit. Nur was man liebt, kann man mit so vollkommener Bewusstheit erledigen, dass auch das Ergebnis gut wird. Deshalb: Liebe, Interesse, Bewusstheit, Aufmerksamkeit und Sinn gehen Hand in Hand. Alles zusammen führt zu einer Ganzheit der Person ohne Teilung, Abspaltungen und Angespanntheit. Die Folge ist eine Gelassenheit in der Leidenschaftlichkeit. Was der gespaltene Mensch als Stress erlebt, ist für den ganzheitlich Interessierten stets Anregung und belebende Herausforderung.