. Die sieben Irrtümer der Männer
Der Mann muss zur Besinnung kommen
Econ-Verlag, 200 Seiten

Leseprobe

Die sieben Irrtümer der Männer
Econ-Verlag, Seite 190-194

Brauchen wir erst eine Revolution?

Ich wollte mit den Betrachtungen über die beiden Naturbeschreibungen dieses Buch abschließen. Was sollte ich dem noch hinzufügen? Da erreichte mich ein Brief von einem Mann, der mich zu einer Antwort drängt. Der Leser, ein Lehrer, schreibt: »Die Gedanken über die Liebe sind realistisch und doch tröstend. Vieles war geradezu Balsam für meine Seele. Aber ich habe die Befürchtung, dass im Alltag wieder alles verlorengeht. Wir brauchen eine Revolution, die die gesamte Gesellschaft umwandelt, damit man die Liebe leichter realisieren kann. Du solltest als Psychologe viel bahnbrechender und fordernder mit Nachdruck an die Öffentlichkeit treten, in die Politik eingreifen, damit wirklich etwas Konkretes geschieht.«

Ich will versuchen, darauf verständlich zu antworten. Der Leser hat etwas empfunden, das mich freut: Er sprach von »Balsam für meine Seele«. Wenn er das so spürt, dann ist das wunderbar, und es genügt. Ich sehe jedoch einen Widerspruch zwischen dem Gefühl Balsam und der Forderung nach einer Revolution. Wer von Liebe spricht und zur Liebe hinführen will, kann nicht eine Revolution fordern und mit »Nachdruck« auftreten. Balsam, Liebe und Revolution schließen sich gegenseitig aus.

Ich verstehe den Wunsch nach Verbesserungen der gesellschaftlichen Verhältnisse, nach einer Umwandlung, nach Entlastungen von den vielen Problemen und Schwierigkeiten, die durch die Gesellschaft entstanden sind. Natürlich ist vor allem der Mann ein Kind dieser Gesellschaft, geprägt von ihren Normen, als Leidender und als Handelnder.

Es geht mir nicht um politische Einflussnahme, um »bahnbrechende« Gesellschaftsveränderung, es geht mir um die innere Wandlung - hier, in den Aussagen des Lehrers, handelt es sich um eine individuelle Aufgabe, aber auch hier findet sich wieder eine typische männliche Einstellung: Er denkt, wenn er etwas als sinnvoll erkannt hat, müsste es sofort in Form einer revolutionären Bewegung nach außen getragen werden und die Gesellschaft bahnbrechend verändern.

Meine Auffassung ist viel realistischer, weit entfernt von dem Gedanken an eine äußere bahnbrechende Revolution. Der Gedanke hat etwas Verführerisches: Man will die äußeren Verhältnisse ändern, um sich dadurch die innere Arbeit zu erleichtern. Ist das nicht eine typisch männliche Flucht, die eigenen Schwierigkeiten zu sehen, die durch die Gesellschaft mit verursacht sind und die dann - anstatt nach innen zu gehen - mit äußeren Programmen leichter gelöst werden sollen? Ich meine: Zu allererst sollte man sich nach innen wenden, die Revolution nach innen tragen, und dann erst nach außen schauen.
Wir sollten erst sehen, was innen tatsächlich geschieht, bevor wir beurteilen, ob wir dann eine äußere Revolution noch für erstrebenswert halten.

Gefährlich halte ich außerdem den Gedanken an die gesellschaftliche Revolution unter folgendem Aspekt: Man denkt dann schnell, ja, wenn erst die äußeren Verhältnisse anders sind, ja, dann werde ich mich ändern. Das ist die Abwälzung der Selbstverantwortung für das eigene Leben - für das Jetzt, Hier, Sofort - auf eine gesellschaftliche Umwandlung.

Natürlich wäre eine Wandlung der Gesellschaft nützlich, möglichst schnell. Aber wie soll die Revolution aussehen? Ich sträube mich dagegen, diese Revolution mit jeder mir bekannten Revolution zu vergleichen. Es stört mich die breite Spur von Leid, die jede Revolution hinter sich hergezogen und neues Leid aufgeschichtet hat. Eine solche Revolution brauchen wir nicht.

Die Revolution im Innern ist etwas ganz anderes. Hier handelt es sich um eine individuelle, geistig-seelische Revolution, die zur Liebe führt .Diese Revolution kann niemand anzetteln oder anordnen, sie ist ein individuelles Ereignis. Nicht einmal missionieren oder überreden sollte man den Menschen dazu. Die Schönheit der Liebe ist nicht über missionarischen oder revolutionären Eifer vermittelbar .Liebe ist stiller und zarter, als der tateneifrige Mann glaubt. Liebe ist die Revolution der Stille und der andächtigen Betrachtung der Dinge.

Dieses Buch will den Mann zur Liebe hinführen, es will ihn ruhig machen, aus seiner Hektik herausholen, ihm die Welt seiner Seele, seiner Gefühle und das verlorene Selbst vor Augen halten. Der Inhalt dieses Buches kann zum Beispiel nicht im Fernsehen verkündet werden oder auf Wahlplakaten stehen. Mit »bahnbrechendem« Auftreten eines guruhaften Missionseifers würde gerade das, worum es geht, ins Gegenteil verkehrt werden.

Die innere Revolution geschieht in der Stille; sie braucht Stille und würde in Massenveranstaltungen niedergetrampelt; gerade dort kann sie sich nicht entfalten. Das Buch ist das richtige Medium, um die Botschaft zu vermitteln. Ich bin überzeugt davon, dass das Buch sogar mitunter besser geeignet ist als ein persönliches Gespräch. Im Gespräch besteht die Ablenkung durch die Vielzahl der Reize, die vordergründig verarbeitet werden müssen: Die äußere Erscheinung des Sprechers, der Klang der Stimme, die erotische Ausstrahlung, Sympathie, Antipathie - das alles lenkt von der Botschaft ab.

Lesen vermittelt Ruhe. Der Leser nimmt das Buch zur Hand, wenn er bereit ist, wenn er Zeit hat und Stille um ihn gewährleistet ist. Er wird durch nichts von den Gedanken abgelenkt, er kann sich vertiefen, kann nachdenken, solange er will. Er kann einen Satz zweimal, dreimal lesen, er kann eine Pause einlegen, er fühlt sich nicht herausgefordert, sich selbst als Person zu profilieren, wie etwa in einem Gespräch. - Ich habe oft beobachtet, wie das tiefe Verstehen gestört ist, weil der Zuhörer dabei ständig überlegt, mit welchem klugen Einwand er sich profilieren kann. Diese Hindernisse für das Verständnis entfallen beim Lesen.

Der Autor trifft den Leser oft zu den wirklich entspannten Stunden an, zum Beispiel kurz vor dem Einschlafen oder im Urlaub, wenn der Stress des Alltags von ihm abfällt und er bereit ist, den Gedanken des Autors und seinen eigenen zu folgen. Das Buch ist das effektivste Medium für den pfadlosen Weg in die innere Revolution. Ich halte das Buch für ein Therapeutikum - es kann wirklich »Balsam für die Seele« sein.

Wir sollten nicht auf eine äußere Revolution warten Gott schütze uns vor solchen Revolutionen. Es geht um psychische Erkenntnis, um die Stille der Meditation der Liebe. In diesem Sinne habe ich die sieben Irrtümer der Männer vor unseren Augen ausgebreitet. Wenn die Männer ihre Irrtümer in Stille in sich selbst erkennen und auflösen, in Liebe zu sich selbst, zur Frau und zur Natur, dann brauchen wir keine bahnbrechende äußere Revolution mehr, denn dann wandelt sich der Alltag ganz von selbst. Aber auf diese äußere Wandlung sollte keiner passiv warten. Jetzt ist mein Leben, jetzt stehe, sitze oder liege ich hier, jetzt atme ich. Liebe atmet achtsam Eindrücke ein, und sie atmet Zärtlichkeit aus. Das ist die innere Revolution, die die Welt wirklich braucht und verbessert. Nur das.